Leserbrief zur Frankfurter Rundschau vom 13.3.2000, zu Berichterstattung und Kommentaren zum „Mea Culpa“, jener großen Inszenierung, bei der Papst Johannes Paul II. ein Schuldbekenntnis abgab für Verbrechen und Fehler von „Menschen der Kirche“ und Gott um Vergebung bat (nicht etwa die Opfer oder ihre Hinterbliebenen) Veröffentlicht am 22.3.2000 (vollständig) Irene Nickel Papst predigt über Nächstenliebe – leeres Gerede „Unvollkommen“ nannte Roman Arens die Bußhaltung der Katholischen Kirche. Sehr zu Recht, denn es fehlt nicht nur an einem rückhaltlosen Bekenntnis, es fehlt auch an einer konsequenten Änderung des Verhaltens. Der Intoleranz hat Papst Johannes Paul II. wahrhaftig nicht den Rücken gekehrt. Noch in seiner Predigt spricht er von Atheismus, von religiöser Gleichgültigkeit und von Säkularismus als von „diesem Bösen“. Intoleranz beweist die Kirche auch im praktischen Umgang mit Andersdenkenden. Zwar bedroht sie sie heutzutage nicht mehr mit Folter und Tod, aber immer noch mit faktischen Berufsverboten und mit Arbeitslosigkeit. Denn kirchliche Einrichtungen haben vielerorts eine marktbeherrschende Stellung als Arbeitgeber für Krankenschwestern, KindergärtnerInnen, AltenpflegerInnen und TherapeutInnen, und vielfach wird dort allen BewerberInnen die Einstellung verweigert, die nicht der „richtigen“ Kirche angehören. Das bedeutet für die Betroffenen, dass sie kaum Aussicht auf Arbeit in ihrem Beruf haben, dass einige sogar arbeitslos bleiben. Das Jammern über die vielen Abtreibungen ist unglaubwürdig, solange die Katholische Kirche sich der Einsicht verschließt, dass das beste Mittel zur Verhinderung von Abtreibungen in der Verhinderung von ungewollten Schwangerschaften besteht, und an ihrer Ablehnung effektiver Methoden der Empfängnisverhütung festhält. Aus dem gleichen Grunde unglaubwürdig ist die Klage des Papstes über die „Verachtung“ der „Hungernden, Dürstenden und Nackten“. Denn viele müssten nicht hungern und im Elend leben, hätten ihre Eltern nur so viele Kinder bekommen, wie sie haben wollten und versorgen konnten. Viele müssten nicht an Krankheiten sterben, die sie bei besserer Ernährung leicht hätten überstehen können. Die katholische Kirche macht sich mitschuldig am Tode dieser Kinder. Ebenso macht die katholische Kirche sich mitschuldig am Tode von Menschen, wo ihre Polemik gegen Kondome diese AIDS-Prophylaxe in Misskredit bringt und dazu führt, dass viel zu viele Menschen durch ungeschützten Verkehr sich und ihre Partner in Lebensgefahr bringen. Solange die katholische Kirche nicht mehr Verantwortungsbewusstsein beweist gegenüber Menschen, die von Hunger, Elend und tödlicher Krankheit bedroht sind, bleibt ihre Predigt von der Nächstenliebe leeres Gerede. |