Leserbrief zu
„Papst predigt Religionsfreiheit“, Frankfurter Rundschau vom 25.12.2010,
veröffentlicht am 28.12.2010
mit geringfügigen Änderungen, lediglich im Stil, nicht in der Aussage
Irene Nickel
Papst predigt Religionsfreiheit – leere Worte
Religionsfreiheit predigt Papst Benedikt XVI. der Welt,
und Gerechtigkeit und Solidarität.
Schöne Worte,
aber wo bleibt eine entsprechende Praxis
im Einflussbereich seiner Kirche?
Wo bleibt sie in den vielen katholischen Krankenhäusern,
Altenheimen und ähnlichen Einrichtungen?
Vielfach herrscht dort nicht Religionsfreiheit,
sondern Diskriminierung von Andersdenkenden:
Konfessionslosen Arbeitssuchenden wird die Einstellung verweigert,
ein Kirchenaustritt von Beschäftigten gilt als Kündigungsgrund.
Ebenso droht Kündigung, wenn Beschäftigte
ihr Recht auf Ehe und Familie in anderer Weise wahrnehmen wollen,
als die engstirnige Moral der katholischen Kirche es zulässt:
wenn sie nach einer Scheidung wieder heiraten,
oder wenn sie sich für einen geschiedenen Partner entscheiden
oder für einen Partner des gleichen Geschlechts.
Das ist weder gerecht noch solidarisch.
Gerecht ist es nicht,
weil Liebe, Solidarität und Verantwortung füreinander
in diesen Partnerschaften ebenso ihren Platz haben
wie in heterosexuellen Erst-Ehen;
und sicher mehr als in Ehen, die längst geschieden sind
und nur noch in der weltfremden Phantasie
von einflussreichen katholischen Geistlichen fortbestehen.
Solidarisch ist es nicht,
wenn katholische Einrichtungen sich dem privaten Glück ihrer Beschäftigten in den Weg zu stellen versuchen.
Solidarisch ist es nicht,
wenn sie denjenigen, die sich nicht hindern lassen,
mit einer Kündigung Schaden zufügen.
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