Leserbrief zu
„Der Papst redet Frankreich ins Gewissen“,
Frankfurter Rundschau vom 12.9.2008,
veröffentlicht am 15.9.2008 (minimal gekürzt, nicht Angedrucktes
blau)

Irene Nickel

Papst, Gewissen, ethischer Konsens –
Anspruch und Wirklichkeit

„Unersetzlich“ nannte Papst Benedikt XVI. die „Funktion der Religion für die Gewissenbildung“. Das ist erstens Unsinn, und zweitens ist es eine Beleidigung all der Menschen, die ohne Religion leben und dabei ein durchaus gefestigtes Gewissen haben. Dazu braucht es keinen Glauben an eine höhere Macht – es genügt das Bewusstsein der Verantwortung gegenüber dem Mitmenschen. Denn jeder Mensch ist wichtig um seiner selbst willen, nicht erst um irgendeiner höheren Macht willen.

Fairness und Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Mitmenschen entstehen nicht durch Religion, sondern durch den Umgang mit Menschen, bei denen der junge Mensch Fairness und Verantwortungsbewusstsein erfahren kann.

Wer so aufgewachsen ist, der hat schon eine Orientierung gefunden. Darüber hinaus stellt unsere Kultur Werte bereit, an denen Menschen sich orientieren können: Da ist der sehr alte Wert der Verantwortung für das Wohlergehen von Menschen; ein Wert, der an Bedeutung gewonnen hat, seit die Bedeutung religiöser Normen verblasst. Und seit der Aufklärung hat unsere Kultur weitere wichtige Werte erarbeitet: Achtung der Menschenrechte, Toleranz und Vermeidung von Diskriminierungen.

Über diese Werte einen möglichst breiten „grundsätzlichen ethischen Konsens in der Gesellschaft“ herzustellen, das wäre erstrebenswert.
Es scheint jedoch nicht die Rolle „der Religionen“ zu sein, viel dazu beizutragen. Oft genug ist das Gegenteil zu beobachten.

So stellt sich die Römisch-Katholische Kirche dagegen,
dass geschiedene Menschen in einer neuen Ehe eine neue Chance bekommen, ihr Glück zu finden. Und dagegen, dass auch homosexuelle Menschen die Möglichkeit erhalten, mit dem geliebten Menschen in einer sozial akzeptierten Partnerschaft zu leben.

Beiden großen christlichen Kirchen gemeinsam ist ihr Umgang mit Andersdenkenden: Wer in ihren Krankenhäusern, Kindergärten oder Altenheimen nach Arbeit sucht und seine Überzeugung nicht hinter einer Pro-forma-Kirchenmitgliedschaft versteckt, wird abgewiesen. Diese Diskriminierung ist kein Beitrag zur praktizierten Toleranz in unserer Kultur, und kein Beitrag zur Achtung der Menschenrechte auf Religionsfreiheit und auf Meinungsfreiheit.

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